100qm Seefahrtkreuzer - Abeking
&
Rasmussen,
Lemwerder - Bau
Nr. 2877
Baujahr 1935
Länge über alles: 16.99 m
Konstruktionswasserlinie: 11.00 m
Breite: 3,40 m
Tiefgang: 2,20 m
Verdrängung: 20,6 t
Sloop hochgetakelt
Rumpf: Tabasco-Mahagoni
Seefahrtkreuzer Besondere Verbreitung fanden
die vom Deutschen Segler-Verband etwa 1927
geschaffenen Seefahrtkreuzer mit Segelflächen zwischen 30
und 150 m2. Im Foto sind hier Ar und Athena vertreten. Am zahlreichsten
waren die 30-, 50- und l00 qm Seefahrtkreuzer, die zu „Standardbooten"
der Marine und Luftwaffe wurden, so dass in diesen Klassen meist ohne
Vorgabe gesegelt werden konnte. Ein hervorragender Vertreter der
„Hunderter" ist die KÖNIGIN, 1935 für einen Bremer
Holzimporteur bei Abeking & Rasmussen aus einem ausgewählten
Stamm in Kompositbauweise gebaut. Sie gehörte später als
Wappen von Hamburg zu den Schönheiten der deutschen Yachtflotte
und war bis in die jüngste Vergangenheit auf Regatten immer noch
erfolgreich. Später segelt sie, in Hansa umbenannt, als Schulboot
für den Deutschen Hochseesport-Verband „Hansa" im Mittelmeer,
heute privat genutzt auf der Ostsee; ein Beispiel dafür, wie lange
ein gut gebautes und gehaltenes Boot erfolgreich „leben" kann.
Seefahrtkreuzerklassen
Historisches
Die Bau- und
Vermessungsvorschriften für die
Seefahrtkreuzerklassen des DSVb lagen am 1.12.1927 vor. Als erstes
Schiff nach diesen Regeln lief 1928 der 80er „Athena“, heute „Alraune“,
bei A&R vom Stapel, ein gelungener Entwurf von Henry Rasmussen, der
sich nicht nur als handiges Seeboot, sondern auch als exzellenter
Leichtwindläufer erwies und in den ersten Jahren nicht weniger als
86 erste Preise einfuhr. Trotz solcher Erfolge entwickelte sich die
Neubautätigkeit nur langsam, die neu geschaffenen Klassen hatten
vor allem mit den Schärenkreuzern zu kämpfen. Hinzu kam das
hohe Preisniveau der kräftig gebauten Kreuzer.
Den ganz großen
Sprung in die Neubautätigkeit läutete
1935 das NS-Militär ein. Das „Seefahrtkreuzerzeitalter“ konnte
beginnen – leider offensichtlich in Vorbereitung und mit dem Blick auf
die bevorstehenden internationalen Konflikte.
Beispiel A&R: Bis 1934
waren nur drei Seefahrtkreuzer vom Stapel
gelaufen, 1935 hatte die Luftwaffe neben anderen Klassenbooten drei
100er und fünf 50er in Auftrag gegeben, die Marine erhielt zwei
50er und einen 30er. 1936 entstanden in Lemwerder 33 Seefahrtkreuzer,
darunter der 150er „Athena II“, der 125er „AR“ bis hin zum kleinen
30er. 21 Kreuzer waren für die Marine und Luftwaffe bestimmt. 1938
registrierte der DSVb z.B. 59 Boote der 30er, 105 Vertreter der 50er
und stolze 18 Schiffe der 100er - Klasse. Von den 30ern waren allein 36
bei der Marine stationiert, die ebenfalls 54 eigene 50er verzeichnete.
Während die Marine hauptsächlich 50er in Auftrag gab,
bevorzugte die Luftwaffe die 100qm Klasse, - allesamt mit luftigen
Bootsnamen – wie Kranich oder Flamingo auch. Mit dem Überfall
deutscher Truppen auf Polen und den folgenden furchtbaren Kriegsjahren
kam auch das Ende des Kreuzersegelns. Die Seefahrtkreuzer dienten
allenfalls noch als Erholungsfahrzeuge für Offiziere und
Mannschaften während des Fronturlaubs.
Nach dem Kriege, 1949,
wurden die Seefahrtkreuzerklassen - vor dem
Hintergrund internationaler Formel-Entwicklungen für das
Seeseegeln - durch die KR-Klassen abgelöst und vom DSV 1952 zur
sogenannten DSV-Altersklasse erklärt. Für Regattazwecke waren
sie damit naves non gratae. Die existierenden 100er z. B. wurden bei
Regatten kurzerhand in die 12 KR-Klasse eingegliedert.
Die Geschichte der Seefahrtkreuzer-Klassen begann in den späten
20iger Jahren. Klaus Kramer hat einen sehr interessanten Artikel
darüber geschrieben und vor einigen Jahren in der
Mitgliederzeitschrift des FKY veröffentlicht. In dem
folgendermaßen betitelten Artikel „Seetüchtig,
Wohnlich, Schnell – Seefahrtkreuzer – Die seegängigen
Fahrtenklassen des D.S.V., Ihre Entstehung, Entwicklung und ihre Zeit.“
schreibt er unter anderem:
„Die Zeit der Inflation ... war im November 1924 mit Einführung
der neuen Rentenmark endlich überwunden, Yachtneubauten hatte es
seit Kriegsende nur sehr vereinzelt gegeben. ‚Sie wurden mit
Warenaktien, Sachwerten oder Fremdwährungen bezahlt.
Wirtschaftlich konnte es nur noch bergauf gehen.
Die Nationalen Kreuzerklassen waren gerade neun Friedensjahre alt. Als
bewohnbare Regattaschiffe hatten sie bei den Binnenseglern viele
Freunde gefunden. Insbesondere die ausgedehnten Gewässer um Berlin
waren die Hochburg der Nationalen 45- und 75-er. Man warnte die Eigner
eindringlich vor Seereisen mit diesen Schiffen. Sie sollten sich mit
ihnen keinesfalls weiter auf See hinauswagen, als bis in die
geschützten Boddengewässer um Rügen. Und obwohl der
Seglertag 1911 die 60-er und 75-qm Nationalen Kreuzerklassen eigens
für das Fahrtensegeln an den Küsten und auf See geschaffen
hatte, erwiesen sie sich für wirkliche Langfahrten und raues
Wetter als ungeeignet. Man baute sie für Binnenregatten und, um
eine größtmögliche Rennfähigkeit zu erzielen, ging
man bei den Materialstärken der Spieren oft bis an die unterste
Grenze des Möglichen heran. Ursprünglich für Gaffelrigg
konzipiert, waren die Nationalen mit der neu aufkommenden, viel
effektiveren Hochtakelage, unter Beibehaltung der alten
Quadratmeterzahl, völlig übertakelt. Auf der Ostsee hatten
sich ihre großen, zu leicht gebauten Riggs als sehr
gefährlich erwiesen. Selbst bei den großen Klassen waren die
vermessungsfähigen Takelagen nur bedingt seefähig. 250-er
bestanden aus diesem Grunde ausschließlich nur auf dem Papier.
Nach dem 1. Weltkrieg wurden die schwedischen Schärenkreuzer –
zuerst die 40-er und dann im Jahre 1925 die 22- und 30-er – als
internationale Rennklassen eingeführt. Diese Boote hatten
bewiesen, dass man auch mit relativ kleinen Schiffen Seeregatten
durchführen konnte. Den spartanisch ausgestatteten Rennern fehlte
es jedoch auf Langfahrten an Lebensraum und Komfort unter Deck.
Insbesondere die Konstruktionen von Max Oertz zeigten, dass es
möglich war, seefähige Fahrtenschiffe zu entwickeln, die
einerseits bequemen Lebensraum boten, andererseits aber auch
erstaunliche Geschwindigkeiten entwickeln konnten. Oertz zum Thema
Fahrtenyachten: „Der brauchbare Kreuzer muß vor allen Dingen eine
gute Breite und große Stabilität besitzen, und muß, um
handlich zu sein, mit einem Minimum an Segelareal auskommen.
Gleichzeitig muß er ein Maximum an Bequemlichkeit unter Deck
besitzen, dabei aber doch nicht zu tief sein und überhaupt so
wenig extreme Verhältnisse aufweisen, dass beste Seefähigkeit
gewährleistet ist. Ein Kunststück ist es, ein solch ideales
Fahrzeug auch noch schnell zu machen.“
Der Deutsche Segler Verband und der Deutsche Segler-Bund buhlten um die
Gunst der Seglerschaft. Während der regattaorientierte
Seglerverband allein seine schnellen, aber seeuntauglichen
Kreuzerklassen vorzuweisen hatte, konnte der fahrtenorientierte
Seglerbund ein komplettes Seefahrtkreuzer-System anbieten. Es reichte
vom 20- bis 50-qm-Küstenkreuzer, bis hin zu seefesten
Fahrtenkreuzern von 60-, 80- 100- 125 bis 175- und 250-qm
Segelfläche. Bereits dem kleineren 60-qm Bundeskreuzer sagte man
nach, es sei mit ihm ohne weiteres möglich, „bei geübter
Besatzung diese Jacht in allen Gewässern der Ostseestaaten auf
sommerlichen Seereisen zu fahren“. Sämtliche Bundes-Seekreuzer
wurden nach den Vorschriften und unter der Aufsicht des Germanischen
Lloyd gebaut und mussten entsprechende Zertifikate vorweisen
können. Die Klassenvorschriften des Segler-Bundes entsprachen
bereits in vielen Punkten jenen Vorschriften, die der D.S.Vb. einige
Jahre später für seine Seefahrtkreuzer erlassen sollte. Diese
Bundes-Kreuzer waren u.a. auch die ersten Segelyachtklassen, die einen
Motor als Hilfsantrieb vorsahen: Unter Punkt 8 ihrer Bauvorschriften
heißt es „Für den Einbau eines Hilfsmotors ist in den
Kreuzerjachten von 40 qm Segelfläche ab ein entsprechender Platz
vorzusehen. Die Bohrung für ein Stevenrohr sowie der Ausschnitt
für den Propeller müssen vorhanden sein.“ Daneben gab es
ausführliche Wohnlichkeitsvorschriften, die auch längere
Seereisen komfortabel werden ließen. Ab 60qm Segelfläche war
ein „fest abgeschotteter Raum mit Abort und Wascheinrichtung“
vorgeschrieben. Bei den großen 175 und 250-ern war ein
Pumpklosett Pflicht.“
Und weiter schreibt Klaus Kramer:
„Bei den beliebter werdenden Seeregatten hatte der D.S.Vb. diesen
Bundeskreuzern nichts entgegenzusetzen. Seine Regatten waren bunt
zusammengewürfelte Haufen unterschiedlichster Schiffstypen. Die
KR-Formel sollte hier für Gerechtigkeit sorgen. Sie war damals
noch keine Bauformel, sondern diente dazu, verschiedene Yachttypen in
möglichst gleichwertigen Gruppen zusammenzufassen.
Aus dieser Situation heraus reif die Kreuzerabteilung des D.S.Vb. zu
einem Konstruktionswettbewerb für „Langfahrtkreuzer“ von 50 und
100 qm Segelfläche auf. Bei dem 100 qm Kreuzer musste die
Segelfläche auf zwei Masten verteilt sein. Ziel der Ausschreibung
war es. Wirklich seefeste Verbands-Klassen zu schaffen. 44
Konstrukteure reichten detaillierte Entwürfe ein. Die ersten
Preise fielen auf Arthur Tiller für seinen 50qm-Kreuzer OSTSEE und
Erich Schierenbeck, Bremen, für seine 100qm-Yawl WESTERTILL.
In der Auswertung heißt es: „Es ist nicht Aufgabe der
Kreuzer-Abteilung, „Rennen“ zu veranstalten. Der hohe sportliche Wert
der Langfahrtsegelei liegt nicht nur in der Segelkunst, hier treten
Navigation und vor allem Seemannschaft hinzu, die bei Langfahrten und
auch bei einem Wettbewerb und Gemeinschaftsfahrten über die
offenbare See von ausschlaggebender Bedeutung sind. Der Hauptwert jeder
seglerischen Erziehung und Ertüchtigung liegt in der
Seemannschaft; gemeinschaftliche Fahrten über See,
kameradschaftlicher Zusammenhalt und freiwillige Unterordnung unter
gemeinsamen Willen sollen uns höchste Schulung bringen,
Körper und Geist stählen und uns frische Kräfte zum
wirtschaftlichen Kampfe schaffen. Hierzu brauchen wir wirkliche
Seekreuzer!
Diese Fahrzeuge sollen nicht etwa besonders „dick“ und plump sein; mit
Seetüchtigkeit lässt sich sehr wohl Schnelligkeit verbinden.
Es klingt dem Rennsegler ungewohnt, wenn der Seesegler von
Geschwindigkeit spricht, und doch ist diese auf See wichtiger wie bei
kurzen Binnenfahrten. Ein Fahrzeug, das unter gegebenen
Verhältnissen eine mittlere Stundengeschwindigkeit von 5 Knoten
läuft, wird gegenüber einem anderen, das unter den gleichen
Verhältnissen nur 4 Knoten erreicht, ein Reiseziel von 300 sm 15
Stunden eher erreichen, und dieser Zeitgewinn ist bei den ohnehin knapp
bemessenen Urlauszeiten recht beträchtlich!“
Die Nachkriegszeit hatte die Gesellschaft grundlegend verändert!
Nicht Schiffe für zeitlos lebende Herrensegler, sondern Yachten
für arbeitende Normalbürger waren jetzt gefragt. Ein Grund
mehr, das bestehende Klassen-System des D.S.Vb. völlig
umzukrempeln. Dies sollte 1927 auf dem Deutschen Seglertag, der in
diesem Jahr erstmals in der österreichischen Metropole Wien
stattfand, geschehen.“
Über den Seglertag 1927 schreibt Kramer:
„Eingebunden in ein reichhaltiges Rahmenprogramm, das von der
Besichtigung des kaiserlichen Lustschlosses Schönbrunn und des
Praters, Ausfahrten ins nahe Gebirge, Besuch einer Festaufführung
der Straußschen Operette „Die Fledermaus“ bis hin zum „Heurigen
Abend“ auf Einladung des K.u.K. Yachtgeschwaders reichte, fand am
Sonntag, den 16. Oktober 1927 im großen Prunksaal der Wiener
Hofburg die Delegiertenversammlung des 28. Deutschen Seglertags statt.
Dicht gedrängt standen 64 Punkte auf dem Programm, die zum
großen Teil eingehender Behandlung bedurften.
An das Ende der anstrengenden Marathonsitzung hatte man den wichtigsten
Punkt dieses Seglertages gestellt: eine bindende Entscheidung über
das in Zukunft gültige Meßverfahren. 1930 würde das
alte Klassensystem auslaufen und der Potsdamer Yacht-Club hatte
dringend gefordert, bereits frühzeitig über das
Folgemeßverfahren zu entscheiden, damit interessierte Eigner
schon im voraus entsprechende Yachten in Auftrag geben könnten. In
ähnliche Richtung zielten zwei Anträge von
Küstenvereinen und des Berliner Yacht-Clubs, die eine
Abkürzung der Geltungsdauer des bestehenden Messverfahrens
forderten. Weitere Clubs verlangten eine zusätzliche
20-qm-Kiel-Rennklasse oder die Zulassung der internationalen
12-Fuß Einheitsjolle. Der Potsdamer Yacht-Club forderte 15, 20
und 30 qm Jollenkreuzer als Binnen-Kreuzerklassen, während aus
Hamburg, mit Rücksicht auf die dortigen Seeverhältnisse eine
35 qm Jolli-Version verlangt wurde. Aus Berlin kam der Wunsch, die
45-er und 75qm-Nationalen –Kreuzer auch zukünftig unverändert
beizubehalten, um das vorhandene Bootsmaterial nicht zu entwerten. Die
Segelvereine der Küsten wollten dagegen den
Nationalen-Kreuzerklassen lieber heute als morgen den Garaus machen.
Denn während die 45 qm Nationalen als reine Binnenklasse hier
ohnehin nicht ernst genommen wurde, galt der als Butenschiff
geschaffene 75-qm Kreuzer bestenfalls als Küstentauglich. Die
125-er Nationalen hatten sich für Seefahrten als extrem
Übertakelt herausgestellt und 250-qm Nationale existierten aus
ähnlichen Gründen lediglich auf dem Papier. Als
rennfähige Kreuzer forderten die Hamburger Vereine die
schwedischen Schärenkreuzerklassen. Als Konzession an die
Binnensegler wollte man bestenfalls die 35 und 45 qm Nationalen
weiterhin dulden.
Der Norddeutsche Regatta-Verein verlangte gemeinsam mit dem
Kaiserlichen Yacht-Club solide gebaute, seetüchtige Kreuzerklassen
nach einer neuen, vom N.R.V. ausgearbeiteten KR-Formel. Diese setzte,
ähnlich wie auch die internationale Meter-Formel, die wichtigsten
Rumpf- und Riggmaße rechnerisch in Zusammenhang. Das
mathematische Ergebnis der Formel ergab eine
Vermessungsgröße in m-K.R. Zusätzlich wurde die Formel
durch einschränkende Grenzmaße ergänzt. Dieser
Forderung hatten sich weitere Seevereine, wie die Segler-Vereinigung
Niederelbe, der Blankeneser Segel-Club, Weser Yacht-Club, Hamburger
Segel-Club, die Segler-Vereinigung 1903, der
Großherzoglich-Mecklenburgische Yacht-Club, Altonaer Yacht-Club,
Lübecker Yacht-Club, Segler-Verein Stade und der Segelclub
Eckernförde angeschlossen.“
Über diese Formel heißt es bei Kramer weiter:
„Neu war, dass mit dieser KR-Formel zum ersten Mal bei einer
Verbandsklasse mehrmastige Riggtypen durch eine deutliche
Takelungsvergütung gefördert werden sollten. Bei den
Bundesklassen war dies längst vorgeschrieben.
Da das Verhältnis des Großsegels zur Gesamtsegelfläche
als Hauptcharakteristikum der unterschiedlichen Takelungstypen
anzusehen ist, setzte man die Fläche des Großsegels zur
Gesamtsegelfläche der Yacht ins Verhältnis und errechnete
hieraus den Vergütungsfaktor. Bei einer normalen Slup, deren
Großsegel etwa 80% der Gesamtsegelfläche ausmachte, war die
Vergütung gleich null. Yawls, Ketschen und Schoner mit relativen
Großsegelflächen von 60%, 50%, 40% erhielten
Tuchvergütungen von 1,6%, 5,1% oder sogar 5,8%.
Die Hamburger Formel sah seetaugliche Kielyachten in den Dimensionen
17, 13, 11, 10, 9, 8 und 7 m-KR für Besatzungsgrößen
von 12 bis 4 Personen vor. Die Segelflächen-Vorstellungen reichten
von 40 qm bei der kleinsten 7 KR-Yacht bis zu 250 qm beim großen
17 KR-Schiff.
Gegen diese KR-Formel standen die Vorstellungen der
Siebener-Kommission, eines vom D.S.Vb. eingesetzten Ausschusses aus
führenden Konstrukteuren. Sie war beauftragt, das gesamte deutsche
Klassen- und Vermessungssystem für die kommenden Jahre zu
überarbeiten und entsprechende Vorschläge vorzulegen. Der
Ausschuß forderte für die neuen Seefahrtkreuzerklassen , wie
auch für sämtliche übrigen Verbandsklassen einhellig
Grenzmaßbestimmungen. Nach Meinung des Ausschusses erzeugt jede
Rechenformel, wie u.a. auch die internationale Meter-Formel gezeigt
hatte, eine einheitliche Schiffsform, und nicht, wie eigentlich
gewünscht, Yachten, die sich entsprechend den unterschiedlichen
Wünschen der Eigner voneinander unterschieden. Harry Wustrau,
Konstrukteur und Vorsitzender des Technischen Ausschuß des
D.S.Vb., 1927 hierzu:
„Jede Messformel liefert praktisch den Besteller dem Konstrukteur aus.
Es ist falsch, zu sagen, dass der Besteller die Freiheit bekommt, zu
bauen, was er will! Im Gegenteil, er muß bauen, was der
Konstrukteur will. Denn jeder Konstrukteur muß den Ehrgeiz haben,
jede Formel so auszunutzen, dass das schnellste Boot herauskommt.“ Und
weiter: „Jede Meßformel züchtet nach einigen Jahren
nur einen Einheitstyp in jeder Klasse, der eben der schnellste ist. Das
bedauerliche ist aber hierbei eben die Tatsache, dass niemand vorher
wissen kann, wie dieser Typ aussehen wird. Ganz anders und wesentlich
günstiger liegt es, sobald man Grenzmaße festsetzt. Das
Grenzmaß ist als zuverlässig auch auf lange Sicht erprobt
und bewährt, wofür gerade unsere nationalen Kreuzerklassen
das beste Beispiel sind: Jetzt, nach mehr als
fünfzehnjährigem Bestehen dieser Klassen, ist eine gewaltige
Mehrheit der deutschen Segler für nahezu unveränderte
Beibehaltung der fünf zuerst geschaffenen nationalen Klassen (22,
30, 35, 45, 75 qm) aufgestanden, weil eben diese Bootsklassen von
vornherein solche Grenzmaße aufweisen und unveränderlich
beibehalten m u ß t e n, welche Zuverlässigkeit,
Geräumigkeit und Schnelligkeit der Boote, unabhängig vom
Konstrukteur, sicherstellen!
Und das hat noch keine Formel gekonnt! Das System der Grenzmaße
ist ein System zugunsten des Seglers und zuungunsten des Konstrukteurs.
Der Segler weiß von vorneherein genau, was für ein Boot er
bekommt, und dass kein anderer ihm mit einem extremeren Boot
vorbeisegeln kann. Der Konstrukteur dagegen ist gehandicapt, er kann
kein „Loch“ finden, durch das er hindurchschlüpfen und an
irgendeiner Stelle die Formel zum Extrem ausnutzen kann.
Was der Kreuzersegler will, das ist das derb gebaute, schwere,
geräumige und mäßig besegelte Boot, d.h. er will
für sein Geld ein Maximum an Wohnlichkeit, Seetüchtigkeit und
Dauerhaftigkeit. Wenn wir also endlich jetzt den Mut aufbringen,
klassenweise die Grenzbestimmungen für Breite, Deplacement und
Geräumigkeit im Anbau an bereits bewährte Typen so
groß, wie irgend möglich zu machen, und dabei Länge,
Tiefgang und Takelungshöhe nach Möglichkeit zu beschneiden,
so bekommen wir mit absoluter Sicherheit solide und brauchbare
wirkliche Seekreuzer. Dem Konstrukteur bleibt dann die dankenswerte
Aufgabe, um diese Forderungen und Grenzmaße das schnellste Boot
herumzuzeichnen!“
Bei diesen krassen Meinungsgegensätzen in der
Seefahrtkreuzer-Frage war in Wien für genügend Sprengstoff
gesorgt. Einig war man sich alleine darüber, daß die seit
1911 gültige Trennung in Kreuzer- und Rennklassen beibehalten
werden musste. Ob man die künftigen Kreuzerklassen jedoch, wie
bisher nach dem Grenzmaßverfahren, das für die Klassenboote
Maximal- bzw. untere Grenzwerte festlegte, oder nach der rechnerischen
KR-Formel vermessen sollte, darüber war ein heftiger Disput
entstanden.“
Über den weiteren Verlauf des Disputes erfahren wir Folgendes:
„Der Kampfgeist der Vertreter der deutschen Seglerschaft war jedoch
inzwischen verpufft, als man in die Verhandlungen um das zukünftig
gültige Meßverfahren und die neue Kreuzerklasseneinteilung
einstieg. Die vom D.S.Vb. -Vorstand befürchtete Rede- und
Abstimmungsschlacht zwischen den kontroversen Lagern der
KR-Formelanhänger und den Befürwortern einer
Grenzmaßformel hielt sich demnach in Grenzen. Schließlich
erhob sich der Sprecher der Hamburger KR-Verfechter Erich F. Laeisz,
damals Deutschlands größter Windjammerreeder, und
erklärte sich bereit, dem Siebenervorschlag zuzustimmen, falls man
fünf seiner Forderungen mit in die neue Vermessung aufnehmen
würde. Hierunter waren die von den KR-Befürwortern geforderte
Takelagevergütung bei Zweimastern und die Festlegung der
Segelhöhe. Der einlenkende Kompromißvorschlag wurde von den
Delegierten mit erleichtertem Händeklatschen honoriert und
schließlich stimmten 506 von 588 Stimmen für die
Grenzmaßbestimmungen. Das neue Meßverfahren trat zum
1.Januar 1928 in Kraft. Bis 1930 hatten also praktisch zwei,
nämlich das bisherige und das neue Meßverfahren
Gültigkeit. Die Dauer des neuen Grenzmaßverfahrens wurde bis
31.Dezember 1935 festgesetzt.
Die Fertigstellung der endgültigen Bauvorschriften, sowohl
für die Seefahrtklassen, als auch für die Binnenfahrtklassen,
wurde vom Siebener-Ausschuß bis zum 1. Dezember in Aussicht
gestellt. ... „Anschließend“ so berichtet
ein Chronist, „stieg man in den Frack, um bei dem abendlichen Bankett
durch die Anwesenheit vieler schöner Frauen daran erinnert zu
werden, daß es nächst dem Segeln auch noch andere gute Dinge
im Leben gibt.“ Und mit dem Bewußtsein, wichtiges für den
zukünftigen Segelsport geleistet zu haben, genoß man das in
der Wiener Hofburg stattfindende Abschlussbankett und den daran
anschließenden Seglerball.“
Über die Entwicklung der neu geschaffenen Klassen berichtet Kramer:
„Die Bau- und Vermessungsvorschriften für die neuen
Fahrtenkreuzerklassen lagen am 1. Dezember 1927 vor. Die Gliederung in
30, 40, 50, 60, 80, 100, 150, und 250 qm Seefahrtkreuzer war eng
gefasst, und so vielfältig, daß jeder Eigner das passende
Schiff, entsprechend der Größe seiner Brieftasche finden
konnte. Da man reine Seeschiffe fördern wollte, waren Schwerter
und freihängende Ruder verboten. Aus gleichem Grunde hatte man
auch, entgegen den Wünschen der Haff- und der
Boddengewässersegler die Höchsttiefgänge nur wenig
beschnitten. Es blieb aber jedem freigestellt, den maximal
zulässigen Tiefgang auch tatsächlich zu nutzen. Auch für
die Länge über Alles waren Maximalmaße vorgegeben.
Schiffsbreite, Tiefgang, Freibord, Decksprung, Kajütaufbau waren
nach unten begrenzt. Neu für den D.S.Vb. war die Bestimmung,
daß die geforderten Mindestbreiten in der Wasserlinie und
über Deck auf 0,55 LWL, von vorn abgenommen werden mussten. Diese
Meßebene hatte man, wie vieles andere auch, direkt aus den
Seglerbund-Vorschriften übernommen. Der 0,55-LWL-Meßpunkt
sollte verhindern, daß die Schiffe im Vorschiffsbereich zu rank
und achtern zu füllig ausfallen würden. Die
vermessungsfähigen Überhänge waren
verhältnismäßig groß, denn man hatte bei den
Schärenkreuzern gelernt, daß Schnelligkeit,
Seefähigkeit und auch Trockenheit beim Segeln durch
ausgeprägte Überhänge verbessert werden konnten; ganz
abgesehen von der so gewonnenen Decksfläche, die nicht nur der
Bequemlichkeit, sondern auch der Sicherheit beim Segelbedienen diente.
Der Freibord war jetzt deutlich höher bemessen als bei den
Nationalen und ein deutlicher Decksprung war vorgegeben.
Die Mindestmaße des Kajütraums waren so bemessen, daß
selbst bei kleinstmöglicher Bauweise ausreichend Wohnraum für
Langfahrten bleiben musste. Es lag im Ermessen des Eigners, vom
Konstrukteur zusätzlichen Wohnraum zu fordern, auf Kosten der
Geschwindigkeit bei leichten Winden. Bis zur 50-qm-Klasse waren
Kajütaufbauten vorgeschrieben, die größeren Yachten
mussten eine entsprechende Stehhöhe vorweisen.
Auch die Riggvorschriften hatte man ganz auf die Bedürfnisse des
Fahrtenseglers abgestimmt. Das Rumpf-Segelflächenverhältnis
war handlicher als bei früheren Klassen. Die Takelungsart und die
Unterteilung der Segelfläche war freigestellt; die Unterteilung
der Segelfläche wurden entsprechend der Hamburger KR-Formel mit
einer saftigen Vergütung belohnt. Hohle Masten waren erlaubt. Sie
durften jedoch nicht gebogen (z.B. Peitschen-Masten) sein. Das untere
Vorstag durfte maximal bis 75% der Segelvermessungshöhe erreichen.
Bei den Klassen bis 80qm durfte ein bezahlter Mann mit an Bord sein,
bei der 100-qm-Klasse waren es zwei und bei den 150-qm-Yachten waren
drei payed-hands erlaubt. Für die 250-qm-Seefahrtkreuzer gab es
keine Beschränkung der Yachtmatrosen. Für die Klassen 100 –
250 qm Segelfläche waren Beiboote vorgeschrieben.
Sämtliche Seefahrtkreuzer, bis hinab zum kleinen
Seefahrtdreißiger, mussten unter Lloyds Bauaufsicht in Holz oder
Schiffbaustahl gebaut werden und zertifiziert sein. Die Vorschriften
ließen den Konstrukteuren und Eignern genügend Freiraum, die
für sie günstigste Schiffsform zu finden.
Als erster und einziger Seefahrtkreuzer des Jahres 1928 lief im Herbst
der 8ß-er ATHENA bei A&R vom Stapel. Es war ein gelungener
Entwurf von Henry Rasmussen. Auftraggeber war Eduard Schilling, der
spätere Vorsitzende des benachbarten Weser-Yacht-Clubs. Das Schiff
erwies sich nicht nur als handiges Seeboot, sonder war auch ein
exzellenter Leichtwindläufer. Es gelang ihm während der
Kieler Woche bereits bei schwacher bis mittlerer Brise viel leichter
gebaute und höher betakelte Nationale Kreuzer, wie die 75qm
KOLIBRI oder die 125qm CILLA zu schlagen. In den folgenden Jahren
sollte die ATHENA nicht weniger als 86 erste Preise einfahren.
Trotz der eindeutigen Erfolge der ersten Schiffe entwickelte sich die
Neubautätigkeit eher zurückhaltend. Der Zeitpunkt für
die Einführung einer neuen nationalen Klasse war schlecht
gewählt. 1928 wurde der nach dem Krieg verhängte Sportboykott
gegen Deutschland aufgehoben. Deutsche Segler waren damit erstmals
wieder bei internationalen Regatten zugelassen. Die neu geschaffenen
Klassen hatten vor allem mit den Schärenkreuzern zu kämpfen,
die 1928/29 durch die ersten Amerikarennen nach dem Kriege in aller
Munde waren.
Hinzu kam das hohe Preisniveau der kräftig gebauten Kreuzer. Ein
Seefahrtdreißiger in Luxusausführung schlug 1928 mit 9.000
Mark zu Buche; in einfachster Bauweise war er für 6.500 M zu
haben. Ein 40-qm-Seefahrtkreuzer in guter Ausführung kostete
11.000 Mark, ein 60-er 19.500 M und für einen 80-qm-kreuzer musste
der Eigner 24.000 Mark auf den Tisch der Werft legen. Hilfsmotor,
Konstruktions- und Abnahmehonorar exklusive.
Sicherlich waren die reinen Fahrtensegler auch damals schon
ausgeprägte Individualisten. Als solche lassen sie ihr Schiff,
wenn sie es sich finanziell leisten können, nach ihrem
persönlichen Geschmack, nach ihren Träumen und Neigungen und
nach ihren auf See gemachten Erfahrungen bauen. Ein Klassenschiff bot
allein dem Auch-Regattasegler einige wenige Vorteile, und selbst dieser
überlegte es sich Ende der 20-er Jahre dreimal, wenn ein
Klassenkreuzer durch die aufwendige Bauweise nach Lloyds Vorschriften
und die notwendige Klassifikation deutlich kostspieliger ausfiel als
eine klassenlose Fahrtenyacht, die man im Regattafalle auch nach KR
vermessen konnte. Die erheblich größere Länge über
Deck, im Vergleich zu frei gebauten Fahrtenschiffen gleicher
Segelfläche, trieb den Preis nochmals zusätzlich in die
Höhe.
Um den Wertverfall des bereits vorhandenen Bootsmaterials in Grenzen zu
halten, war es erlaubt, vorhandene Yachten, sofern sie annähernd
den neuen Klassenvorschriften entsprachen, durch Änderung der
Takelage in die neuen Seefahrtkreuzerklassen einzureihen. Auf diese
Weise hoffte man, auch bei anfänglich geringer
Neubautätigkeit, in kurzer Zeit genügend Boote für
vergütungslose Klassenregatten zusammenzubekommen. Wichtig hierbei
war vor allem die Verdrängung der komplett ausgerüsteten
Yacht. Sie musste möglichst durch die Konstruktionszeichnungen
oder aber auch durch eine im Winterlager gefertigte Hauptspantskizze
belegt werden. Bei den Kajütmaßen drückten die
Vermesser gerne sämtliche Augen zu.
Alte 75-qm-Nationale-Kreuzer konnten auf diese Weise nach Reduzierung
ihrer Segelfläche der neuen 50-qm-Seefahrtklasse zugeordnet
werden, 125-er wurden zu 80-qm Seefahrtkreuzern. Die
Takelungshöhen, die ursprünglich 20 - 24 m betrugen, wurden
um ca. 1/3 auf 13,5 – 16,5 Meter gekürzt. 125-qm-Nationale durften
mit reduziertem Ketsch- oder Yawlrigg als 80-er Seefahrtkreuzer fahren.
Von der Umklassifizierungsmöglichkeit wurde kräftig Gebrauch
gemacht. Bis April 1930 waren 24 Seefahrtkreuzer registriert; nur sechs
dieser Boote waren auch tatsächlich als Seefahrtkreuzer gebaut
worden, die übrigen hatte man adaptiert.“
Weiterhin beschreibt er das „Seefahrtkreuzer-Zeitalter“:
„Vier Jahre später, mit dem Reichsparteitag 1934, manifestierte
sich Hitlers Blut und Boden-Ideologie. Der kleine dunkelhaarige, dem
Wasser eher abgeneigte Mann aus Österreich hatte den großen
blonden, blauäugigen, meererobernden Wikinger zum allgemeinen
Zuchtziel des deutschen Volkes auserkoren. Am 24. Oktober bestimmte der
Führer in einer Verordnung die neuen Aufgaben und Ziele der
„Deutschen Arbeitsfront“, der nationalsozialistischen
Nachfolgeorganisation der Gewerkschaften. Die Deutsche Arbeitsfront
wird der Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF) unterstellt, die in
Zukunft die Freizeit der Deutschen preisgünstig, aber
zielgerichtet organisieren wird. Der Deutsche Seglerbund wird
liquidiert, der Deutsche Segler-Verband gleichgeschaltet. Das dem KdF
angeschlossene Sportamt hatte von nun an sämtliche Bereiche des
Sports im Sinne der „Wehrertüchtigung und der Rassischen
Vervollkommnung“ zu reorganisieren. Seefahrt wird zur Rassenpflege.
Bald heißt es auf dem Titel der Segelzeitschrift Yacht: „DIE
BESTEN SEGLER - DIE BESTEN SOLDATEN“.
Mit dem Jahr 1935 läuten die Militärs das
„Seefahrtkreuzerzeitalter“ – wie es bald in den Clubhäusern
genannt wird – ein. Der Seefahrtkreuzer wurde zum legendären
Seeschiff, das die bis dahin sich widersprechenden Eigenschaften
Sicherheit, Schnelligkeit und Seefähigkeit in sich vereinte und
dazu auch noch wirkliche Bequemlichkeit und Behaglichkeit auf langen
Seereisen bot. Man charakterisierte die Seefestigkeit und Stärke
der Schiffe auch mit den Worten „Der Seefahrtkreuzer hält
länger durch, als die Mannschaft“.
Der gewaltige Entwicklungssprung der Seefahrtkreuzer im
„tausendjährigen Reich“ lässt sich auch an der Bauliste der
Yachtwerft Abeking & Rasmussen in Lemwerder überdeutlich
aufzeigen. Bei anderen Werften war eine ähnliche Entwicklung zu
verzeichnen.
Vom Anbeginn der Klasse im Jahre 1928 bis zum Jahre 1934 waren bei
A&R nur drei Seefahrtkreuzer unterschiedlicher Größe vom
Stapel gelaufen. 1935 baute die Werft u.a. 76 Klassenboote – von der
O-Jolle bis hin zur großen Yacht. Die Luftwaffe hatte neben
anderen Klassenbooten drei 100-qm und 50-qm Seefahrtkreuzer in Auftrag
gegeben, die Marine erhielt zwei 50-er und einen 30-er.
Im Olympiajahr 1936 entstanden in Lemwerder 33 Seefahrtkreuzer,
darunter der 150-er ATHENA II, der wunderschöne 125-er
Seefahrtkreuzer AR, den Henry Rasmussen für sich selbst baute, bis
hin zum kleinen 30-er. 21 Kreuzer waren für die deutsche Marine
und für Luftfahrtstellen bestimmt.
Im gleichen Jahr wurden bei A&R auch die ersten Seefahrtkreuzer
für ausländisch Rechnung gebaut: Das polnische Amt für
Leibesübungen hatte zwei 80-er und vier 50-er Seefahrtkreuzer in
Auftrag gegeben. Rasmussen verhandelte mit dem Rumänischen
Königlichen Yacht-Club über den Bau von zwei weiteren 80-ern
. Im Ausland galten die deutschen Seefahrtkreuzer als das Schönste
und Zweckmäßigste, was moderner Yachtbau hervorzubringen
hatte. 1938 registrierte der D.S.Vb.:
59Stk.
30-qm-Seefahrtkreuzer
13Stk.
40-qm-Seefahrtkreuzer
105Stk.
50-qm-Seefahrtkreuzer
21Stk.
60-qm-Seefahrtkreuzer
16Stk.
80-qm-Seefahrtkreuzer
18Stk.
100-qm-Seefahrtkreuzer
7Stk.
150-qm-Seefahrtkreuzer
Von den 30-qm Kreuzern waren allein 36 bei der Marine stationiert,
sowie vierundfünfzig 50er. Während die Marine
hauptsächlich 50-qm-Seefahrtkreuzer in Auftrag gab,
bevorzugte die Luftwaffe die 100-qm-Klasse.
Als Hermann Göring auf Rügen den heute noch fahrenden 50-er
HIDIGEIGEL für die Luftwaffe in Dienst stellte, hatte er die
größte Mühe, seinen Leibesumfang durch den Niedergang
zu zwängen. Es soll angesichts dieses Vorgangs sogar verhalten
gelächelt worden sein.
Bei der Seewettfahrt „Gotland Rund“ 1939 siegte das Auslosungsboot des
Königlich Schwedischen Segel-Clubs überlegen. Es war eine
Konstruktion des Schwedischen Konstrukteurs Erik Salander nach den
Bestimmungen der deutschen 50-qm-Kreuzerklasse. Die Regatta wurde bei
steifer Brise und bei teilweise bis zu drei Meter hoher See
ausgetragen. Während auf großen Yachten über schweres
Steuern und überrauschende Seen geklagt wurde, segelte das
Auslosungsboot neun Stunden lang trocken und bequem mit stetigen 8
Knoten Fahrt und leichter Pinne in den sicheren Sieg. Salander wurde
daraufhin beauftragt, einen maßstabsgetreu verkleinerten 50-er
mit 35qm Segelfläche und effektiver Renntakelage zu zeichnen. In
Schweden gab es damals viele Stimmen, die sich diesen „Bonsai-Kreuzer“
als kommende nordische Einheitsklasse wünschten.
Am 1. September 1939 fielen deutsche Truppen in Polen ein. Furchtbare
Kriegsjahre sollten folgen. Das private Kreuzersegeln kam nahezu zum
erliegen. In den Werfthallen wurden die schnittigen Lustfahrzeuge durch
tarngraue Kriegsmonster verdrängt. In den Segelzeitschriften
wurden Themen wie: „Wie übersommert man am besten seine Yacht?“
brandaktuell. Die Seefahrtkreuzer dienten jetzt den Offizieren und
Mannschaften während ihres Fronturlaubs als Regatta- und
Erholungsfahrzeuge. Mancher von ihnen unternahm mit ihnen seinen
letzten Törn. Bei ihren kurzen Seefahrten waren die Mannschaften
angewiesen nach feindlichen Schiffen auszuspähen. Die
Seefahrtkreuzer sollen auch in größerem Umfang für
geheime Späh-, Kurier und Spionagefahrten in ausländischen
Gewässern eingesetzt worden sein.“
Über den Niedergang der Seefahrtkreuzerklassen erfahren wir von
Kramer folgendes:
„Bereits vor dem 2. Weltkriege waren im umgebenden Ausland
unterschiedliche Vermessungsformeln entstanden. Für Hochseerennen
hatte der britische Royal Ocean Racing Club (R.O.R.C.) 1931 eine eigene
Formel entwickelt, die sich bald ... für internationale
Wettfahrten durchsetzen sollte. Die R.O.R.C.-Formel bot den
großen Vorteil, daß die Boote im Wasser liegend vermessen
werden konnten. Dies vereinfachte das Verfahren, wenn Yachten aus
unterschiedlichen Ländern anreisten, die bisher nicht vermessen
worden waren oder keinen gültigen Missbrief mitführten. Die
Schwäche der R.O.R.C.-Formel war, daß die Schiffsform unter
Wasser kaum berücksichtigt wurde. Bei der Ocean Racing Rule
spielte das „in die Formel Passen“ eine wichtige Rolle. Boote gleicher
Größe – ja gleicher Klasse – konnten durch sie sehr
unterschiedlich bewertet werden.
Daneben hatte sich in Europa eine weitere internationale Regel,
basierend auf der damaligen Skandinavischen Ostsee-Regel und der Formel
des American Cruising Club etabliert. Diese war der Ocean Rule sehr
ähnlich.
Solange sich das Reich selbst isolierte und nationalsozialistische
Nabelschau hielt, spielte es eine untergeordnete Rolle, was außen
herum passierte. Doch nach dem Kriege war auch im deutschen Segelsport
wieder eine neue Zeit angebrochen. Internationales Miteinander, wie
auch internationale Regatten, mussten gefördert werden.
Auf dem Seglertag 1949 siegte die von Henry Rasmussen neu
überarbeitete KR-Formel – die der R.O.R.C.-Rule in vielem
angenähert war – über die bisherige Grenzmaßvermessung.
Gemäß Harry Wustrau hatten jetzt die Konstrukteure wieder
gesiegt.
Obwohl gleich nach dem Krieg wieder einzelne Neubauten zu verzeichnen
waren, wurden die Seefahrtkreuzer 1952 zur Altersklasse erklärt.
Dort, wo noch genügend Boote gleicher Klasse zusammen kamen
durften sie als Seefahrtskreuzer miteinander regattieren. Neubauten
wurden jedoch keine mehr abgenommen. Vorhandene Klassenscheine konnten,
sofern das Boot weiterhin den Bestimmungen entsprach, jeweils um drei
Jahre verlängert werden.
Den unterschiedlichen Klassengrößen wurden nach der
Rasmus’schen KR-Formel folgende Einheitswerte zugeteilt, unter denen
sie fortan mit anderen Bootstypen zu regattieren hatten:
30-qm-Seefahrtkreuzer
=
6,5-KR-Klasse
40-qm-Seefahrtkreuzer
=
7,5-KR-Klasse
50-qm-Seefahrtkreuzer
=
8,5-KR-Klasse
80-qm-Seefahrtkreuzer
=
11-KR-Klasse
100-qm-Seefahrtkreuzer
=
12-KR-Klasse
150-qm-Seefahrtkreuzer
=
15-KR-Klasse
Vielen Seglern war die Bevorzugung der KR-Formel durch den Seglertag
unverständlich. Man warf dem D.S.V. vor, mit der Annahme der
KR-Formel ein grobes Fehlurteil gefällt zu haben. Für die
meisten Seesegler war der Seefahrtkreuzer die beste Klasse, die der
Deutsche Segler-Verband jemals beschlossen hatte. Auch im
Anschluß gab es kaum eine Bootsklasse, die dem Seefahrtkreuzer in
Einrichtung, Geschwindigkeit, Seetüchtigkeit und Ästhetik
ebenbürtig war.
Der Seefahrtkreuzer war die letzte große Holzbootklasse in
Deutschland und somit der Höhepunkt des traditionellen
Holzyachtbaus. Wasserfeste Leime, entwickelt für den Flugzeugbau
im 2. Weltkrieg, ermöglichten den um bis zu 50% günstigeren
Serienbau aus wasserfestem Sperrholz. 1954 wurde in Deutschland der
erste GFK-Rumpf laminiert. Das neue Bootsbaumaterial der
Großchemie sollte den Yachtbau grundlegend revolutionieren und
völlig neue Yachttypen schaffen. Individuelle Einzelbauten wurden
die Ausnahme: der anonyme Großserienbau begann. Die moderne Zeit
der Werftklassen war angebrochen.“